Rad- & Wanderkarte - Route zum Parnermuseum nach Kvilda

Die Bedeutung der Hinterglasmalerei im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet ist nicht nur Kunstkennern und Historikern bekannt. Längst sind die im 18. und 19. Jahrhundert hergestellten Bildtafeln zum Kulturerbe erhoben, dass das „Hinterglaseum“ in Schönbrunn am Lusen in der Gemeinde Hohenau so spannend wie ästhetisch inszeniert. Die Ausstellung ist im einstigen Schulhaus installiert worden und gleicht einer kleinen modernen Wunderwelt. Das Museum ist Teil eines grenzüberschreitenden Projekts, dessen böhmisches Pendant sich im ebenfalls neu gestalteten „Hinterglasmuseum“ in Kvilda findet. Beide Einrichtungen sind durch einen gut 25 Kilometer langen Wander- und Radweg verbunden, der auf mehreren Infotafeln von der Bedeutung der Hinterglasmalerei in der Region erzählen. Der Radweg verläuft über den „Goldenen Steig“ und parallel zu ihm, zwischen Schönbrunn am Lusen, Mauth und Kvilda. So wurde die Möglichkeit geschaffen, dass die beiden Museen an einem Tag besucht werden können.

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Rad- & Wanderkarte (11,6 MiB)

1. Herrenhaus Hilz (Schönbrunn)

Einst galt Schönbrunn als Hotspot der Glasindustrie – und noch heute wird die Hochzeit der Branche mit dem Namen „Hilz“ in Verbindung gebracht. Leider ist vom Herrenhaus der ehemals mächtigen Familie nur noch der Eingangsvorbau aus dem 18. Jahrhundert erhalten.

Die Geschichte der Glashütte Schönbrunn ist so spannend wie turbulent: Im beginnenden 17. Jahrhundert von Hans Kürschner auf einem Areal der späteren Siedlung Raimunds-reut gegründet, rettete Abraham Poschinger den Betrieb vor dem finanziellen Ruin – und heiratete überdies die Witwe des 1616 verstorbenen Vorbesitzers. Ottilie Poschinger wiederum vermachte die Hütte ihrer Tochter Salome und deren Mann David Hilz, der sich als kunstfertiger Glasmacher bereits bis

nach München hinauf einen Namen gemacht hatte. Hilz formte die Hütte zur Blüte und produzierte die Glastafeln für die Maler aus Raimundsreut. Vom ehemals gläsernen Ruhm der Gegend ist heute wenig übrig: Nur noch in Frauenau, Lindberg und Zwiesel wird Farb- und Kristallglas für Kunden gefertigt. In Riedlhütte, Freyung und Mauth indes wird das Glasmachen nur mehr zur Schau praktiziert.

2. Goldener Steig (Reschbachstraße Mauth)

Vor mehr als tausend Jahren schon betreten, war der „Goldene Steig“ einst Handelsweg und  Lebensader gleichermaßen. Überwiegend Salz, Wein, Gewürze und Tuchwaren wurden mit Pferden von Bayern nach Böhmen transportiert – und in umgekehrter Richtung Getreide, Fische, Bettfedern und Schmalz ins Fürstbistum Passau gesäumt.

Doch: Viel Handel lockt auch Gesindel und Räuber, wo-gegen der Passauer Fürstbischof Siedlungen entlang des Wegs anlegen ließ. Eine dieser Ortschaften ist Mauth – ab 1699 Anlaufstelle für Säumer zwischen Passau und Bergreichenstein, um Gebühren für  den Warenhandel und -transport zu entrichten.

Auch heute herrscht wieder reger Austausch zwischen Tschechien und Bayern – und noch immer wird dabei auf Pferdestärken gesetzt: Hunderte Lastwagen verkehren täglich auf der B 12 zwischen Lindau und Prag, deren volle Bäuche helfen, den wirtschaftlichen Aufschwung im einst geteilten Herzen Europas neu zu befeuern.

3. Filiale Außergfild (wenige Kilometer vor der Grenze)

Auslandsgeschäfte können lohnen. Das wussten auch die Hinterglasmaler aus Raimundsreut – und gründeten in den 1790er Jahren eine Außenstelle im böhmischen Außergefild. Weil dort das Glas günstiger und der Markt noch nicht erschlossen war sowie Gewerbesteuer und Zoll entfielen, mauserte sich die Filiale schnell zum lukrativen Geschäft.

Mit jedoch einem „Problem“: Das Unternehmen war illegal und rief die böhmische Steuerfahndung auf den Plan. Um einem Gewerbeverbot zu entgehen, übersiedelten die Maler für mehrere Jahre nach Außergefild – und verhalfen dadurch der traditionsreichen böhmischen Hinterglasmalerei zur Geburt.

Ob billige Rohstoffe, ausreichend Arbeitskräfte, vergünstigte Steuern, neue Märkte oder gute Infrastruktur: Wo wichtige wirtschaftliche Standortfaktoren zusammentreffen, gründen sich Betriebe und Filialen. Das galt nicht nur gestern – weswegen auch heute zahlreiche bayerische Unternehmen Niederlassungen in Tschechien unterhalten.

4. Grenzen los (Grenzübergang Bucina)

Natur und Kultur kennen keine Grenzen! Wo der Eiserne Vorhang über 40 Jahre den Ostblock unerbittlich von der westlichen Welt trennte, wächst in den Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava die wilde Natur zum ers-ten länderübergreifenden Großschutzgebiet im Herzen Europas.

Der ungehinderte Grenzübertritt öffnet auch uns Men-schen neue Perspektiven: Wir dürfen den gemeinsamen Kulturraum frei denken, deutsch-tschechische Beziehun-gen knüpfen, intensivieren – und uns zusammenschließen zu einem großen Gemeinschaftswerk.

Das Museum zur Geschichte der Raimundsreuter Hinter-glasmalerei mit Filialen in Schönbrunn am Lusen und Kvilda steht synonym für grenzenlose Kooperation. Für Zukunftsweisendes bei gleichzeitiger Bewahrung wert-voller Traditionen. Es überwindet Schranken im wört-lichen wie übertragenen Sinn – und demonstriert einmal mehr die Einheit in der Vielfalt.

5. Das grüne Dach Europas (Böhmerwald)

Er gilt als der letzte Märchenwald des Kontinents und bildet zusammen mit dem Bayerischen Wald „Das grüne Dach Europas“: der Böhmerwald. Hier gibt es noch Ur-wälder, unberührte Hochmoore, sprudelnde Wildbäche und eine Sanftheit im wildromantischen Landschaftsbild, die das Raue und Dunkelwaldige der Region wohltuend ablöst.

Wie zufällig in den Böhmerwald gestreut, existierte frü-her eine Vielzahl an Glashütten. Große Mengen an Holz wurden für die Herstellung von Pottasche als einem der Glasgrundstoffe benötigt. Für profilierte Leisten ebenso, die die fertigen Hinterglasbilder umrahmten.

Gerade im Barock erlangte Glas aus dem Böhmerwald größten Ruhm, was mitunter dem Glasmacher Michael Müller (1639–1709) aus Helmbach (Michlova Hut‘) zu verdanken war: Ihm wird die Erfindung des wertvollen Goldrubinglases zugeschrieben.

6. Kvilda – Museum der Hinterglasmalerei

Ihre Berühmtheit für Heiligengemälde hinter Glas verdankte die Ortschaft Außergefild (Kvilda) einst dem Kraxenträger Michael Verderber. Er siedelte sich in den 1770er Jahren dauerhaft an und übernahm die Werkstatt der Raimunds-reuter Hinterglasmaler Johann Kaspar Hilgart sowie Bernhard und Johann Paul Peterhansl, nachdem das Trio ihre böhmische Außenstelle wegen illegalen Betriebs hatte aufgeben müssen.

Gingen Michael Verderber und sein Sohn Johann der Malerei zunächst in Haus Nr. 9 nach, worin heute die Tourist-Info untergebracht ist, so verlegte Johann Verderber 1842 die Werkstatt ein paar Anwesen weiter, in ein größeres Gebäu-de mit angegliederter Wirtschaft.

Verderbers Unternehmen prosperierte: Er beschäftigte bis zu 15 Mitarbeiter, die zur besten Zeit bis zu 40.000 Hinterglasbilder jährlich fertigten. Als Johanns ältester Sohn Franz den Betrieb übernahm, begann die Produktion zu stagnieren. Der moderne und kostengünstigere Farbdruck löste die Hinterglasmalerei ab, die ein Werkstattbrand am 11. Mai 1881 auch wortwörtlich in Schutt und Asche legte.